„Es gibt keine guten oder schlechten Träume. Es gibt nur Träume. Und die Art und Weise, wie wir mit ihnen umgehen.“ Oliver W. Schwarzmann, Publizist
In Albträumen setzen wir uns mit verschiedenen Ängsten auseinander: Wir kommen nicht von der Stelle, laufen weg, werden verfolgt, sind verstört, depressiv, verzweifelt, fallen tief, kommen nicht in die Höhe, kommen nicht an, sehen den Teufel, haben Angst, dass sich etwas oder jemand in ein Monster verwandelt und sicherlich gibt es viel mehr Varianten, die sich der normale Verstand noch nicht vorstellen kann.
Ein Traum gilt als Kommunikationsschnittstelle zwischen dem Selbst (Ich-Bewusstsein) und dem Unbewussten. Der Traum stellt ein Angebot zum Gespräch dar. Der Träumer hat die Aufgabe, den Traum ernst zu nehmen, zu akzeptieren und zu entziffern. Er sollte sich immer von dem Traum ansprechen lassen und ihn deuten. Wird der Inhalt des Traumes nicht bearbeitet, wird die Seele das Thema erneut in einen anderen Traum aufnehmen und es wieder versuchen. Der Traum mit seinen aussagekräftigen, symbolischen Bildern gilt dabei als Spiegel unserer innerpsychischen Dynamik, die es zu bearbeiten gilt.
Indem die Bilder aus dem Unbewussten durch die Träume in das Bewusstsein steigen, wird der Mensch auf sein Entwicklungspotenzial, seinen aktuellen Status oder seine Zukunft aufmerksam gemacht. Die Träume greifen dabei Versäumtes, Liegengebliebenes und Unerledigtes auf, kommentieren die Gegenwart oder geben Aussagen über mögliche Ziele in der Zukunft. Wesentlich bei der Traumarbeit ist es, die Grundaussage des Traumes herauszuarbeiten.
Wir sollten bei der Traumarbeit/Traumdeutung immer beachten, dass der Traum, und letzendes das Selbst, die „Absicht“ hat, dem Bewusstsein etwas mitzuteilen. Dadurch bietet unser Unbewusstes uns Entwicklungspotenzial an. „Absicht“ bedeutet dabei immer Sinnorientiertheit: dem eigenen Lebenssinn entsprechend. Der Traum hat nicht den Wunsch, dass Sie seine Symbole nur wahrnehmen, sondern er beharrt sinnorientiert darauf, dass Sie entsprechend der Absicht ins Handeln kommen.
Als Beispiel für Albträume möchte ich mich hier auf das Fluchtverhalten konzentrieren. Eine Flucht in Träumen bedeutet immer, dass eine Begegnung mit unbewussten Inhalten noch nicht ausgehalten werden kann. Die Flucht ist hier eine Erscheinungsform des Widerstandes des Ich-Bewusstseins. Mit anderen Worten: Sie wehren sich gegen eine „Begegnung“ mit den Verfolgern und damit bestimmter Gefühle oder Emotionen. Um das zu verdeutlichen, möchte ich hier auf das Traumbeispiel 72 „Therapeutisches Arbeiten mit Träumen“ aus Adam aus dem Jahr 2006 zurückgreifen:
„Ich war im Wald. Da wurde ich verfolgt. Ich denke, von Hunden. Ich habe die leuchtenden Augen im Dunkeln gesehen und das Hecheln gehört. Ich bin durch den Wald gerast wie ein Wilder, habe mein Messer gesucht, das ich sonst immer bei mir trage, wenn ich weggehe. Ich konnte es aber nicht finden.
Auf einmal war da eine Schneise und Schlucht, wo es runterging, wo ich nicht mehr weiterkonnte. Ich bin aufgewühlt und verschwitzt aufgewacht.“
G. Jung hat in seiner Traumanalyse von 1991 formuliert, dass alles, was uns im Traum verfolgt, zu uns will. Das heißt, der innerpsychische Inhalt will bzw. drängt zur Bewusstmachung. Der o. g. Traum zeigt sehr schön, dass der Träumer noch nicht bereit bzw. in der Lage ist, sich auf die Konfrontation mit den ihn verfolgenden Hunden einzulassen. Die Hunde stehen in diesen Traum für Aggressivität und Verletzlichkeit, und stellen die psychischen Inhalte dar, die integriert werden wollen. Die Verfolgung im Traum zeigt gleichzeitig auf, welche große Diskrepanz zwischen dem Unbewussten und dem Bewussten liegen. Diese Diskrepanz wird dadurch aufgezeigt, dass die psychischen Inhalte (Hunde) auf den Träumer feindselig und ängstlich wirken. Je kleiner diese Diskrepanz zwischen Unbewussten und Bewusstsein ist, umso freundlicher nähern sich die Hunde, umso freundlicher wirken die psychischen Inhalte auf den Träumer.
Auch das plötzliche Aufwachen des Träumers aus dem Traum verhindert eine Konfrontation mit den psychischen, noch nicht integrierten Inhalten. Da der Träumer in dem o. g. Traum vor einer Schlucht steht, bleiben dem Träumer nur zwei Auswege: sich der Konfrontation stellen oder aufwachen. Das Aufwachen ist ein Widerstand des Träumers, sich der Konfrontation mit den psychischen Inhalten zu stellen.
Jeder Traum ist wichtig und hilft dem Träumer bei seiner persönlichen Entwicklung des Selbst. Von Bedeutung ist daher herauszufiltern, welches die Grundaussage des Traumes ist. Der Traum zeigt hier sehr deutlich ein bestehendes Aggressivitätsproblem auf. Der Träumer hat Schwierigkeiten, seine bestehenden aggressiven Impulse zu beherrschen. Durch Rücksprache mit dem Träumer kann der Therapeut/Traumdeuter Beispiele herausarbeiten, in welchen Situationen solche Aggressivitätsmomente bestehen.
Da der Träumer vor seiner Aggressivität im Traum flüchtet, ist er noch nicht bereit, dieses Problem zentral anzugehen. Hier ist es wesentlich, dass nicht die Aggressivität selbst angeschaut wird (denn dies würde zu keinem Ergebnis führen) sondern die Flucht vor den Aggressivitätsaspekten. Dabei können folgende Fragen hilfreich sein:
- In welchen Situationen wird der Träumer aggressiv?
- Wie geht der Träumer mit aggressiven Situationen um?
- Was ist gut, was ist nicht so gut an der Aggressivität des Träumers?
- Was passiert nach dem der Träumer aggressiv war?
Da der Traum die Hunde als Aggressionssymbol ausgewählt hat, ist es weiterhin von Vorteil, nach negativen Erfahrungen mit Hunden zu fragen.
Für jeden Coach/Therapeuten/Traumdeuter ist es wesentlich, dass in der Traumarbeit eine Ich-Stärkung des Träumers erfolgt. Auch wenn der Traum angsteinflößend ist, lässt er durch das Messer erkennen, dass der Träumer sich zu schützen weiß und im Grunde genommen wehrhaft ist. Des Weiteren besitzt der Träumer, die Fähigkeit sehr schnell zu laufen und konnte somit vor den Hunden davonrennen.
Solange Träume ein Fluchtverhalten in Bezug auf innerpsychische Aspekte wie z. B. der Aggressivität aufzeigen, also ein großer Widerstand herrscht, diese Aspekte zu integrieren, liegt beim Träumer noch ein sehr schwaches Ich vor. Hier ist es von wesentlicher Bedeutung, dass durch „ichstärkende Traumarbeit“ (und vielleicht andere therapeutische Maßnahmen) der Träumer in seiner Entwicklung gestärkt wird. Erst wenn sich ein stärkeres Ich herausgebildet hat, können die Aggressivitätsaspekte in den Fokus gestellt werden.
Alles, was uns unser Unbewusstes sendet, möchte integriert werden. Wir bekommen nur dann solche Botschaften, wenn die Seele es schafft, die behandelten Themen in den Träumen „anzugehen“. Der Träumer selbst ist der beste Traumdeuter. Er weiß immer, welche Aussagen hinter der Symbolkraft des Traumes stehen.
Das Einzige, was die Seele möchte, ist sinnhaft und mit voller Absicht Ihrem Lebensplan zu folgen. Unterstützen Sie Ihre Seele dabei, schauen Sie hin, auch wenn es unangenehm ist. Gehen Sie in kleinen Schritten auf sich zu, machen Sie sich Mut, was Sie alles gut gemacht haben im Traum, stärken Sie sich, dann werden Sie immer mehr ein Stück Sie selbst.